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Künstler: White lilium

Album: Tarantula (EP)

Erscheinungsjahr: 2009

Anspieltipp: Protest of innocence

Autor: Tobias

“Die Norddeitsche, die sin mir suschpekd. Die sinn irgendwie so still, domit konn isch gaa nix oofange.“

So oder so ähnlich klingen die üblichen Vorurteile über die Norddeutschen, die dem Rezensenten bei der ersten Auseinandersetzung mit den hier betrachteten Kleinstädtern aus Preetz bei Kiel gleich ins Gedächtnis schossen. Wie wenig reflektiert solche vorab wertenden Übergeneralisierungen jedoch sein können, beweist die gut 19minütige EP „Tarantula“, die die Nordlichter stellvertretend durch die Melodiccorer White Lilium als ganz und gar energiegeladen, vielseitig und so gar nicht still qualifiziert. Was der Fünfer während der vier Songs anbietet, gleicht nämlich nicht nur einer musikalischen Achterbahnfahrt durch sämtliche stilistische Ausgeburten der Hartwurstszene, sondern darf auch als echtes Statement einer blutjungen Kapelle verstanden werden, die sich schlicht und ergreifend (noch) nicht kategorisieren lassen möchte. Heftige Gitarrenriffs, pfeilschnelle Ballerparts, sowie vernichtendes Gebrüll wechseln sich ab mit melodischen Gitarrensoli, beschwörenden Rhythmen und zuckersüßen Refrains. Der Blick für den guten Song geht derweil kaum verloren, was letztlich in vier gelungenen Ohrwürmern mündet, die das Anstauben der Repeat-Taste wohlweislich zu verhindern wissen. Der Opener „Protest of innocence“ präsentiert sich beispielsweise mit seinen poppigen Hooklines und den dazu gegenläufigen Noise-Passagen als eine überaus interessante Mischung aus Southern Rock Flagschiff He is Legend und den Chaos-Königen Between the buried and me. Der folgende Titeltrack glänz dann mit einem umhüllenden Melodic Death-Part und repetierenden Breakdowns, die die Homogenität des Songs zuerst zu stören scheinen, sich letztlich aber als eigentliches Prunkstück entlarven. Richtig gut stehen der Kapelle weiterhin die dem klassischen Metal entliehenen Versatzstücke in „A cracked egg in the fridge is no reason to turn into crazy“ zu Gesichte, die mächtig drauf los ballern und einem die viel zitierten Haare vom Kopf rocken. Das abschließende Kleinod darf dann bedenkenlos als (ungewollte) Reminiszenz an die 2006 aufgelösten Briten The hurt process verstanden werden, das nicht zuletzt durch seinen übermelodischen Chorus einen deutlichen Ruhepol im Songgefüge darstellt. „Love.Paper.Portrait.Grave“ ist ein sehr gelungenes, leicht zugängliches Stück Musik, dass jedoch in der schöpferischen Ausrichtung der Lilien künftig weiterhin nur rudimentäre Berücksichtigung finden sollte. Eine weitere Akzentuierung des überladenen Screamo-Genres dürfte dem Wiedererkennungswert und damit auch den ansonsten berechtigten Ambitionen der Truppe, demnächst mal ein professionelles Studio mitsamt eines Plattenvertrags zu entern, letztlich überhaupt nicht zuträglich sein.

Vom Klangbild her hört der Konsument „Tarantula“ den Eigenproduktionscharakter noch merklich an. Dennoch soll an dieser Stelle nicht verkannt werden, dass es auf dem nunmehr bereits dritten Kurzrelease zumindest deutlich druckvoller und insgesamt differenzierter aus den Boxen tönt als auf den beiden extended-play Erstversuchen. Dessen ungeachtet zeigt Sänger Felix beim cleanen Gesang und insbesondere den etwas höheren Tonlagen deutlich auf, dass es um seinen Tonumfang (noch) nicht gut bestellt ist. Hier gibt es deutliches Verbesserungspotential, zumal der ein oder andere schiefe Ton nicht zur ansonsten so professionellen Darbietung und tollen musikalischen Instrumentierung passt. Das fiese Grunzen, Geschrei und Gekrächze des Fronters Jonas dagegen macht richtig Laune und dürfte so mancher Möchtegern-Grindcore-Kapelle die Schamesröte ins Gesicht treiben. Abseits dieser kleinen hauptsächlich handwerklichen Kritikpunkte präsentiert sich „Tarantula“ allerdings nicht zuletzt auf Grund der hitverdächtigen und abwechslungsreichen Kompositionen insgesamt als bravouröses Stück Tonkunst, White Lilium als Band mit großem Potential. Halten die Lilien daher ihre auf „Tarantula“ angebotene Qualität auch auf einem Longplayer, dürfte bei der Punktvergabe zumindest eine Eule mehr heraus springen. Frei nach Kant appelliere ich daher an alle Freunde des Vorurteils und alle Nicht-Norddeutschen: „Habt Mut, euch eures eigenen Verstandes zu bedienen!“

P.S.: Der kostenlose Download der EP auf der Bandeigenen MySpace Seite (www.myspace.com/whitelilium) dürfte das Beachten dieses resümierenden Infinitivs erheblich erleichtern.

 

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